(Text: Rhana K.*, palästinensische Koordinatorin des Frauen*seminars) Das Leben in Palästina kann bestenfalls als kompliziert beschrieben werden. Wenn man Palästinenser*innen fragt, welche Worte sie mit dem Leben in Palästina verbinden, dann sind die ersten die Besatzung zusammen mit all den Konsequenzen und Problemen, die diese in ihr Leben gebracht hat. Ein anderes, die Situation beschreibendes Wort wäre „herausfordernd“, da die Möglichkeiten der Lohnarbeit und Mobilität, z.B. um den Arbeitsplatz zu erreichen, sorgfältig überlegt und kalkuliert werden müssen. Diese zahlreichen Ebenen der Herausforderungen und Stufen von Hindernissen wurden in Palästina um ein weiteres Level ergänzt: COVID-19.
Eigentlich sollte die Staatsführung für Stabilität und Beständigkeit im Leben der Bürger*innen ihres Landes sorgen, doch mit Blick auf das momentane Handeln der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) liegt dieser Wunsch weit von der Wahrheit entfernt. Das Krisenmanagement der PA während der ersten Welle der Pandemie war im Vergleich zur momentanen Situation zwar erfolgreicher, aber sie hat es versäumt, ihren Bürger*innen Alternativen zur Aufrechterhaltung eines gewissen Maßes an finanzieller Sicherheit zu bieten.
Viele Palästinenser*innen arbeiten im informellen Sektor als Tagelöhner*innen oder sind Freiberufler*innen. Doch mit dem Lockdown kamen viele Aktivitäten und somit oft auch ihre Arbeit zum Stillstand. Erschwerend kommt hinzu, dass Israel sich während des Lockdowns der palästinensischen Gebiete, noch nicht im Lockdown befand und den billigen palästinensischen Arbeiter*innen erlaubte, auf die Baustellen zu kommen und auch in anderen Bereichen zu arbeiten, in denen sie gebraucht werden.
Der Mangel an Koordination und Kontrolle zwischen der israelischen und der palästinensischen Regierung führte zu einer verstärkten Verbreitung des Virus in der Bevölkerung. Einige Gebiete in Israel sind jetzt während der dritten Welle völlig abgeriegelt; in den palästinensischen Gebieten herrscht in fast allen Bereichen des Alltags, von Schulen bis hin zu Büros und Restaurants, vermeintliche „Normalität“ – die Kontrolle scheint verloren worden zu sein.
Obwohl der Winter und die Grippesaison näher rücken, ist nicht klar, welche Maßnahmen zukünftig für die Gesundheit und Sicherheit der Menschen in Palästina getroffen werden.
* Name geändert