(Text: Dina G.) Die vergangenen Monate waren in Israel auf gesellschaftspolitischer Ebene sehr beunruhigend und angespannt. Covid-19 wirkte sich nicht nur auf die öffentliche Gesundheit und die wirtschaftliche Situation aus, sondern verdeutlichte auch die Ungleichheit zwischen den verschiedenen Gruppen in unserer Gesellschaft, auch in ihrem Zugang zu Ressourcen. So werden in Krisenzeiten die Palästinenser*innen innerhalb des Staates Israel noch stärker diskriminiert und die Kämpfe der Minderheiten innerhalb der jüdischen Gesellschaft noch vehementer zum Schweigen gebracht. In Zeiten wie diesen spüren wir als politisch engagierte Frauen* ein noch stärkeres Bedürfnis nach Gemeinschaft und einer politischen Heimat, in der es möglich ist, Verzweiflung und Wut zum Ausdruck bringen und sich gegenseitig zu unterstützen. Daher haben wir als Koordinationsteam beschlossen, auf die Seminarteilnehmer*innen der letzten Jahre zuzugehen und eine Plattform zu schaffen, damit sie sich in dieser schwierigen Zeit treffen können, um sich auszutauschen.
25 Frauen aus den letzten vier Jahren meldeten sich begeistert für das Folgeprogramm, dessen erstes Treffen letzten Monat in Jaffa stattfand: die Teilnehmer*innen nahmen an einer politischen Stadtführung der Musikgruppe System Ali teil. System Ali singt in vier Sprachen: Arabisch, Hebräisch, Englisch und Russisch. Bei der Führung thematisieren sie die Komplexität Jaffas als (jüdisch-palästinensisch) gemischte Stadt, die besorgniserregende Geschichte der schrittweisen Auslöschung der palästinensischen Identität und ihre besorgniserregende Gegenwart von Gentrifizierung und Diskriminierung der heute hier lebenden Palästinenser*innen. Auch sprechen sie über die Entfremdung und den Rassismus gegenüber nicht aschkenasischen Identitäten wie russischen, äthiopischen und Mizrahi-Juden und Jüdinnen.
Die Künstler*in-nen lernten sich bei Sadaka Reut kennen, einer Organisation, die marginalisierte jüdische Gruppen und Palästinenser*innen zusammenbringt und gesellschaftliche Machtstrukturen und Hierarchien hinterfragt. Diese Auseinandersetzung wurde in den persönlichen Geschichten der Künstler*innen während der Führung lebendig.
Unser Verständnis als politische Frauen* ist, dass das Persönliche politisch ist; dass unsere persönlichen Erfahrungen eine Bedeutung und einen Kontext haben, aus dem wir lernen müssen und den wir anderen vermitteln können. Darauf gründen wir auch unseren pädagogischen Ansatz beim Dialogseminar, in dem wir unsere Erfahrungen, die wir als wertvolles Wissen sehen, teilen und aus ihnen lernen.
Wenn die ehemaligen Teilnehmenden weiter über die Komplexität ihrer Gesellschaft diskutieren, ist ein tieferes Verständnis ihrer eigenen Identität und der der „Anderen“ etwas, das wir unbedingt bewahren wollen. Es ist inspirierend und ermutigend zu sehen, wie sich diese Frauen* trotz der derzeitigen logistischen und psychischen Herausforderungen weiterhin gemeinsam gesellschaftspolitisch engagieren.