*Name geändert

Ich heiße Ahlam, ich lebe in Palästina, in Jerusalem. Ich bin hier, um den Israelis zu erzählen, was sie von ihren Medien nicht erfahren, denn diese zeigen ein falsches Bild von uns.

Wie erleben Sie die aktuelle politische Situation?

Ich lebe in Schufat, einem Stadtteil von Jerusalem, wo vor kurzem der 15-jährige Mohammed Abu Chedair ermordet wurde: gekidnappt und verbrannt. Die Situation ist seitdem problematisch, es gibt viele Kontrollen. Normalerweise brauche ich 15 Minuten zu meiner Universität, jetzt, nach diesen Ereignissen, muss ich mit zwei bis drei Stunden rechnen.

Gibt es überhaupt Kontakte zu jüdisch-israelischen Jugendlichen?

Nein, sowas gibt es nicht, und gerade nach diesem Vorfall boykottieren mehr als 80 Prozent der Palästinenser alles, was mit Israel zu tun hat. Auch die Geschäfte, sie kaufen demonstrativ nichts von Israelis. Für mich ist das hier auch der erste Kontakt mit ihnen.

Wie ist Ihr bisheriger Eindruck dieser Begegnung hier?

Bevor ich hierherkam, hatte ich Angst, ob ich überhaupt offen reden und mich äußern kann. Hier kam dann alles aus meinem Inneren heraus. Ich habe mich sozusagen leergemacht, alles erzählt und mich gut gefühlt dabei.

Welches Gefühl haben Sie gegenüber den Israelis hier?

Ich habe wahrgenommen, dass viele von ihnen gegen ihre eigene Armee und deren Vorgehen gegen uns sind. Das hat mich irgendwie zufriedengestellt.

Welche Chance sehen Sie in einer solchen Begegnung?

Viele der israelischen Teilnehmer wollen nicht wie ihre Politiker werden. Ich hoffe, dass sie etwas gegen das tun werden, was ihre Regierung uns antut. Ich hoffe, dass sie etwas ändern, wenn sie zurückkommen. Je mehr Israelis der Meinung sind, dass uns Unrecht geschieht, um so größer wird die Möglichkeit sein, dass sich etwas ändert.

Was denken Sie über israelische Friedensinitiativen?

Das Problem dieser Friedensinitiativen ist: Sie wollen Frieden, Frieden, Frieden. Aber sie vergessen zu betonen, was die Voraussetzung für Frieden ist, nämlich Gerechtigkeit. Und über Gerechtigkeit redet man kaum dort bei diesen Leuten. Die reden nur von Frieden.

Was ist Ihre eigene „Friedensvision“?

Wir könnten schon in Frieden leben, wenn zum Beispiel alle Flüchtlinge zurückkehren könnten. Ich sehe meine Verwandten alle zwei oder drei Jahre, weil diese überall zerstreut leben.

Die Israelis, die Juden waren auch so zerstreut, haben sich irgendwie gesammelt und leben jetzt in einem Staat. Aber dadurch haben sie uns exiliert. Wenn das anders wäre, dann würde ich mich natürlich auch besser fühlen. Außerdem müssten wir Palästinenser in den heiligen Stätten beten können, ohne Begrenzung, ohne Checkpoints, ohne Schikanen, was jetzt nicht der Fall ist.

Ich wünsche mir auch, dass meine Freundinnen aus Ramallah das Meer sehen können. Sie kennen den Geruch des Meeres überhaupt nicht. Diese Kleinigkeiten bedeuten für uns große Träume.

Was hat Sie bewogen, an dieser Begegnung teilzunehmen?

Ich wollte mich als Teil der großen palästinensischen Familie fühlen, die hierher gekommen ist, um zu zeigen, dass uns Unrecht passiert.

Wie ist der Umgang mit den israelischen Teilnehmern?

Klar, wir sind Menschen, und sie sind Menschen. Wenn sich jemand schlecht fühlt, fragt man nach und hilft sich gegenseitig, von Mensch zu Mensch.

Aber ich merke, dass die Diskussionen in der großen Gruppe weniger effektiv sind als Gespräche in kleinen Gruppen. Dort kann man auch über persönliche Dinge reden, das bringt uns näher zusammen.

Was sind Deine persönlichen Wünsche?

Ich möchte gerne, dass ich mein Haus verlassen kann, ohne Angst zu haben, vielleicht nicht zurückzukehren.

Sind Sie hier gemeinsam untergebracht oder getrennt?

Wir schlafen getrennt, die palästinensischen Frauen auf dem einen Flur und die Israelinnen auf dem anderen. Das ist auch besser so. Wir reden wirklich viel miteinander, aber vielleicht hätte die eine oder andere Angst, dass im Schlaf etwas passieren könnte. So gehen wir auf Nummer Sicher.

Tauschen Sie sich mit Israelis über private Dinge jenseits der Politik aus?

Nein, ich sage auch offen, ich habe nicht so viel Vertrauen zu ihnen.

Könnte das Eis hier denn brechen oder gehen Sie mit denselben Bildern von der anderen Seite wieder zurück, mit denen Sie hierher gekommen sind?

Ich habe hier viel über den Konflikt, in dem ich lebe gelernt, natürlich wusste ich nicht alles. Ich merke, dass ich meine Heimat noch mehr lieben werde als vorher. Aber ich gehöre nicht zu denjenigen, die gedacht haben, wir kommen hierher, um richtige Ferien miteinander zu verbringen und Spiele zu spielen.

Was stellen Sie sich unter Frieden vor?

Ich will, dass jeder, der sein Haus verlassen hat bzw. verlassen musste und vertrieben wurde, zurückkehren kann. Wir sind eigentlich ein großzügiges Volk, wir lieben auch die anderen. Hätten sie uns gebeten – die Juden meine ich –, dableiben zu können, weil sie verfolgt werden, hätten wir ihnen bestimmt auch geholfen. Sie haben aber nicht um Hilfe gebeten. Sie kamen mit dem Anspruch: Das Land gehört uns, und ihr sollt weggehen. Und dagegen wehre ich mich. Wir sind großzügig, als Volk lieben wir die Menschen.