2023 war für das Projekt „Wi.e.dersprechen“ überschattet von der erschreckenden Eskalation in Nahost. Der Angriff der Hamas am 7. Oktober, die Ermordung von 1200 Menschen in Israel und die Verschleppung von 230 Geiseln machen uns ebenso fassungslos, wie die bisher über 30.000 Toten in Gaza und die Not der Zivilbevölkerung durch den Krieg der israelischen Armee. Gleichzeitig sehen wir die Verschärfung der Situation im Westjordanland. Ehemalige Teilnehmende aus Israel verloren
beim Terrorangriff der Hamas Verwandte und Freundinnen. Im Westjordanland ermordeten israelische Siedler unseren ehemaligen Teilnehmer Moab, palästinensische Teilnehmerinnen beklagen tote Verwandte im Gazastreifen. Offen für Dialog und Begegnung einzutreten, ist in Israel und Palästina im Moment fast unmöglich. 2024 markiert auch das 30-jährige „offizielle“ Bestehen unseres Projektes, das sich für ein friedliches Zusammenleben mittels politischen Dialogs junger Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten stark macht.

Im ehemaligen Jugoslawien, wo 1994 noch während des Krieges erste gemeinsame Ferien für Kinder stattfanden, konnten in diesen 30 Jahren Partnerschaften aufgebaut werden, die dauerhafte Strukturen für diese Ziele schufen. In Palästina und Israel scheinen die Chancen für Begegnungen und Dialog, ganz zu schweigen von Frieden, heute vielleicht noch schlechter als 2002, als die ersten Dialogseminare stattfanden. Gleichzeitig könnte die schiere Ausweglosigkeit der Lage auch einen Wendepunkt markieren.
Sie macht ernsthafte politische Dialoge immer notwendiger.
Inzwischen wird der öffentliche Diskurs in den Ländern unserer Partnerinnen, aber auch in Deutschland immer stärker von Kriegsrhetorik, Nationalismus und Rassismus geprägt. Reden von „Kriegstüchtigkeit“ ermutigen ebenso wenig, wie zunehmender Antisemitismus, Rassismus, der Vormarsch rechtsradikaler Rhetorik und entsprechender Parteien. Was hingegen Mut macht, die Reaktion so Vieler: Seit die Pläne des Potsdamer Treffens aufgedeckt wurden, sind Hundertausende auf die Straße gegangen, gegen Rassismus, Nationalismus und die AFD. 30 Jahre Arbeit für Frieden und Dialog, getragen fast ausschließlich von privaten Spenderinnen, das scheint uns fast wie ein Wunder. Toll, dass das möglich ist, traurig, dass es immer noch nötig ist, ja sogar immer wichtiger wird. Bei aller Frustration über die aktuelle Realität haben die Räume für Austausch und Begegnung, die das Projekt in besonderer Weise ermöglicht, für unsere Partnerinnen nach wie vor höchste Bedeutung. Widersprechen und wieder miteinander sprechen – so schildern es Teilnehmende und Partner innen immer wieder, erhalten die so bitter nötige Hoffnung, schaffen Wege, Grenzen zu überschreiten und geben ihnen Mut, nicht aufzugeben. Solange Sie uns unterstützen, machen wir weiter!


März 2024