Im Sommer 2014 trafen sich fast 100 Israelis und Palästinenser während des Gaza-Krieges in Deutschland. Beide Seminare waren geprägt durch Angst voreinander, aber auch vor der Wahrheit der „Anderen“, die das eigene Verständnis des Konflikts aus den Fugen geraten lässt. Vereint hat die TeilnehmerInnen am Ende das Entsetzen über die scheinbare Ausweglosigkeit der Situation, in der sie leben. Gleichzeitig machte ihnen die Erfahrung, Menschen der „anderen Seite“ zu treffen, die den Wunsch nach einer gerechten und friedlichen Lösung des Konflikts mit ihnen teilen, Hoffnung und Mut.

Ende März 2015 wurde in Israel gewählt. Viele unserer MitarbeiterInnen und TeilnehmerInnen hatten gehofft, die Wahl würde den von ihnen deutlich wahrgenommenen Rechtsruck in der israelischen Politik und Gesellschaft wenigstens aufhalten. Stattdessen wurde Benjamin Netanjahu im Amt bestätigt, gerade weil er mit den Ängsten vieler Israelis Wahlkampf führte.

Schon im Sommer, während des Krieges, beklagten MitarbeiterInnen und TeilnehmerInnen aus Israel eine Atmosphäre der Gleichgültigkeit gegenüber der hohen Opferzahlen in Gaza, aber auch offen ausgesprochene Feindseligkeiten gegenüber Palästinensern selbst in ihrem engeren, bisher als gemäßigt empfundenen Umfeld.

Die Palästinenser boykottieren mittlerweile konsequent israelische Produkte und gemeinsame Initiativen mit ihnen. Die Wut einiger entlädt sich aber auch gewaltsam: Bei Anschlägen in Jerusalem töteten und verletzten palästinensische Extremisten mehrere Menschen.

Unsere Partnerorganisationen empfinden die Arbeit mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zusehends als schwieriger, da vielen von ihnen grundlegende Kenntnisse über den Konflikt und die „andere Seite“ jenseits der eigenen Wahrnehmung fehlen.

Umso wichtiger ist es, diesen Kreislauf von Angst, Frustration und Ignoranz zu durchbrechen. Gerade weil in Israel Kampagnen kritischer Organisationen von einer breiten Öffentlichkeit immer häufiger als Lüge abgestempelt werden, ist eine ehrliche Auseinandersetzung miteinander auf persönlicher Ebene so wichtig. Die Leidensgeschichten der „Anderen“, ihre Emotionen und Ängste zu erleben und zu spüren, ermöglicht Verständnis jenseits politischer oder gesellschaftlicher Doktrinen.

Im ehemaligen Jugoslawien beschreiben die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer das gemeinsame Leben als irgendwo „zwischen Krieg und Frieden“. Im Sommer 2014 traf sich eine Gruppe von ihnen mit drei ehemaligen Kriegsgefangenen, einem Serben, einem Bosnier und einem Kroaten. Eine Teilnehmerin schrieb darüber später:

„Das Wichtigste für mich war die Erkenntnis, dass ein Mensch alleine es schaffen kann, das Leben eines anderen zu verändern. Stanislav hätte sein restliches Leben lang alle außer den Kroaten gehasst, wenn er nicht einen Menschen getroffen hätte, der dieselbe Gewalt von Kroaten erlitten hatte. Amir wäre für immer verbittert und wütend auf die ganze Welt gewesen, ohne den Arzt, der ihm geholfen hatte, ein Arzt, der zur serbischen Seite gehörte. Ihre Geschichten machten mir die Hoffnung, dass unser Eintreten für den Frieden nicht vergeblich ist. Jeder von uns, so unglaublich das auch erscheinen mag, kann für einen anderen den entscheidenden Unterschied machen und ihm die Augen öffnen.“