Liebe Unterstützer*innen,
erfreut blicken wir auf einen ereignisreichen Sommer voll intensiver und spannender Begegnungen und Dialoge zurück. Beim Schreiben dieser Zeilen geht gerade das diesjährige Friedenscamp in Seget Donji an der kroatischen Adriaküste zu Ende. Dort trafen sich 70 Jugendliche und junge Erwachsene aus Kroatien, Bosnien und Herzegowina und Serbien zu einer zehntägigen Begegnung mit zahlreichen Workshops (siehe Titelbild) zu den vergangenen Kriegen auf dem Balkan, aber auch zu gegenwärtigen Kriegen und Katastrophen, die sich auf das Leben der jungen Menschen auswirken. Auffallend in diesem Jahr waren die zahlreichen Gespräche und Diskussionen über Gewalt, insbesondere Gewalt gegen Frauen, die sicherlich im Zusammenhang stehen mit den schrecklichen Ereignissen dieses Jahres – dem Schulmassaker und dem Amoklauf in Serbien und dem Feminizid in Gradačac nahe Tuzla, die alle Teilnehmenden emotional beschäftigten. Umso stärker war die Motivation der jungen Menschen, selbst gegen Gewalt und für eine gerechte Gesellschaft aktiv zu werden. Schon während der Begegnung nahmen die Teilnehmerinnen an einer Viertelstunde des Schweigens teil, zu der feministische Organisationen in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens aufgerufen hatten.
Ende Juli trafen sich 50 Aktivistinnen des Netzwerks Youth United in Peace (YU-Peace) nahe Tuzla zu einem einwöchigen Camp, um Themen wie Umgang mit der Vergangenheit, Versöhnung und Friedensaktivismus zu vertiefen. Im Rahmen eines Tags der offenen Tür hatten in diesem Jahr erstmalig Menschen außerhalb des Netzwerks die Möglichkeit, Workshops des Camps zu besuchen und das Netzwerk kennenzulernen (S. 2). Eine der Grundannahmen des Projekts, dass es trotz Propaganda und Hass immer wieder neugierige, junge Menschen gibt, die dieser nicht trauen und trotzdem oder gerade deshalb die „andere“ Seite kennenlernen wollen, hat sich beim Frauendialogseminar einmal mehr bestätigt. Trotz der gegenwärtigen politischen Situation, die im Westjordanland geprägt ist von täglichen gewaltsamen Übergriffen des israelischen Militärs und in Israel von Gesetzesverschärfungen einer rechtsradikalen Regierung und Protesten dagegen, fanden 41 Palästinenserinnen und Israelinnen nahe Köln zu einem kontroversen und kraftvollen Dialog zusammen. Obwohl sich das Team fast komplett neu aufgestellt hatte und es zu diversen Änderungen in letzter Minute kam, verlief der Dialogprozess mitsamt den auch erwünschten Reibungen erstaunlich gut. Erstmalig konnte die israelische Koordinatorin in diesem Jahr einige orthodoxe Jüdinnen für die Begegnung gewinnen, was den Prozess inhaltlich um wichtige Perspektiven bereicherte (S.3). Mehr dazu werden Sie in unserem Jahresbericht lesen können.
Kontinuierlich über das gesamte Jahr begleitet uns die Dialogarbeit von Seekers (Name geändert): die Gruppe langjähriger Aktiver hat sich entschieden, einerseits eine Präsenz in den sozialen Medien aufzubauen, um auf diesem Weg auf die Gesellschaft einzuwirken. Andererseits haben sie in Kleingruppen eigene Projekte geplant, die sie nun verwirklichen werden. Weiterhin schwierig bleibt die Suche nach einer Partnergemeinde als „Standort“ für die palästinensische Gruppe des neuen Dialogtriangels: Da sich die Situation im Westjordanland und Ostjerusalem weiter verschärft, gibt es noch größere Vorbehalte innerhalb der Gemeinden. Deshalb versucht Seekers nun verstärkt, in Städten anzuknüpfen, die bereits in der Vergangenheit aktiv waren.