Im Februar 2022 traf uns die Nachricht des Angriffskriegs der russischen Regierung auf die Ukraine wie aus heiterem Himmel, obwohl es durchaus Anzeichen dafür gegeben hat. Für viele von uns war es schlicht nicht vorstellbar, dass tatsächlich ein Krieg gefühlt „so nah“ vor unserer Haustür ausbrechen könnte. Gezeigt hat uns der Kriegsausbruch sicherlich erneut den Vorrang ökonomischer Interessen gegenüber Verpflichtungen hinsichtlich Deeskalation und Menschenrechten – nicht nur im Vorfeld der Invasion, sondern auch beispielsweise bei Abwägungen zur Verhängung von Sanktionen.
Der Umgang europäischer Regierungen mit dem Kriegsgeschehen ist bestenfalls ernüchternd: (Kalte-)Kriegsrhetorik wird wieder salonfähig, der Umgang mit Geflüchteten und insbesondere Beschlüsse zu Waffenlieferungen sind bestürzend. Bittere Lektionen in Sachen Rassismus sind sicherlich die medialen Auslassungen über die „Zivilisiertheit“ der Ukrainer*innen gegenüber „nicht-weißen“ Betroffenen von Krieg und Vertreibung sowie Berichte zunehmender Anfeindungen gegenüber Menschen in Deutschland, die vermeintlich oder tatsächlich russische Wurzeln haben.
Die europäische Friedensbewegung fühlt sich zurückgeworfen, nicht nur angesichts des unverblümten Bruchs internationalen Rechts, insbesondere des Verstoßes gegen das Gewaltverbot durch Russland. Das politische Momentum der Kriegssituation, in dem auch Menschen hierzulande sich ohnmächtig und wütend fühlen und viele Ängste aufkommen, zu nutzen, um „mal eben“ ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr bereitzustellen, ist nur eine von mehreren strategischen Entscheidungen der aktuellen Regierungskoalition, die in eine bedrückende Richtung weisen.
Als Dialogprojekt erinnert uns dieser Krieg aber vor allem daran, wie wichtig es ist, aufmerksam zu bleiben für schwelende Konflikte, alte Wunden, Verschiebungen in politischen Interessenlagen und Stimmungen in Gesellschaften – und leider daran, dass wir Frieden nie als selbstverständlich annehmen dürfen, sondern diesen aktiv gestalten und pflegen müssen.
So bestärken diese Ereignisse uns in der Überzeugung, dass politische Dialogarbeit äußerst wichtig bleibt. Sei es in Kontexten, in denen der Krieg bereits vorüber ist, wie in Bosnien-Herzegowina, Serbien und Kroatien oder in solchen, in denen er immer wieder aufflammt beziehungsweise stetig droht, wie in Palästina und Israel. In beiden Partnerregionen des Projekts hat sich die politische Situation seit unserem letzten Jahresbericht deutlich zugespitzt, wie die Beiträge auf den Seiten dieses Hefts eindrücklich zeigen. Unsere Partner*innen haben in der anhaltenden Pandemiesituation nach Kräften weitergearbeitet und sich auch von den teilweise wirklich besorgniserregenden politischen Entwicklungen in ihren Regionen nicht beirren lassen, so entmutigend sie auch scheinen.
Ihr Mut und ihre Entschlossenheit sind es, die auch uns motivieren, weiterzuarbeiten.