Warum machen wir ein Seminar nur für Frauen* und warum finden wir es wichtig, grenzüberschreitende Dialoge und Konflikttransformation auch aus einer feministischen Perspektive zu betrachten?
Dieses Thema haben wir kürzlich in drei öffentlichen Webinaren mit den Koordinatorinnen des Frauen*Seminars aus Israel und Palästina diskutiert. Hier möchten wir euch einen kleinen Einblick in das Gesagte geben.
„Im politischen Diskurs sind es in der Regel israelische Männer und palästinensische Männer, die die Grenzen des Diskurses über die Besatzung und über die politische Realität bestimmen. Du sprichst über die Besatzung, aber es gibt keinen Raum, um über Gender zu sprechen. Andererseits gibt es in Israel viele Feminist*innen, die die Besatzung und das Fehlverhalten gegenüber den Palästinenser*innen nicht anerkennen. Das Frauen*seminar ist für mich ein sicherer Ort, von dem ich weiß, dass keine dieser Fragen und Komplexitäten uns in unseren politischen Diskussionen unterbrechen, sondern im Gegenteil: Sie bereichern und erlauben uns, aus diversen Blickwinkeln über die Situation nachzudenken. (…)
Was mich motiviert, weiter zu machen, ist die Tatsache, dass junge Frauen* gerade nach diesen zwei kurzen Wochen der Begegnung ihre Meinung ändern. (…)
Im Seminar werden wir als Frauen* zum ersten Mal gefragt, was wir über die politische Realität zu sagen haben. Wir fragen uns SELBST, denn normalerweise erlauben wir uns als Frauen* nicht einmal, in der Politik überhaupt etwas zu sagen, weil wir immer hören, dass wir nicht ausreichend informiert sind, dass wir nicht diejenigen an der Front sind und dann gibt es immer diese Stimmen, die uns zum Schweigen bringen, sogar in unserem Kopf. Stimmen, die sagen: „Ihr habt jetzt wahrscheinlich nicht genug Wissen, also sollten wir nicht sagen oder aussprechen, was uns durch den Kopf geht. Doch im Seminar, wo wir nicht nur als Israelis und Palästinenser*innen auf einander treffen, sondern auch als Frauen*, auch als nicht-weiße Frauen, als queere Frauen, als ethnische Frauen – dann kann man die Realität nicht in einer nicht-komplexen Weise betrachten, dann sind wir verpflichtet, nach einer gerechten Lösung für diesen Ort zu suchen, nicht nur für die beiden Seiten oder ein bestimmtes Spektrum bestimmter eng gefasster Identitäten, sondern für alle Menschen, die an diesem Ort leben, mit der Betonung auf Frauen*. (…) Alex* (Name geändert, israelische Koordinatorin)
„Bevor ich Koordinatorin des Frauen*seminars war, habe ich als Übersetzerin an vielen Dialogseminaren teilgenommen. Gewöhnlich beanspruchen palästinensische Frauen in solchen Seminaren, wenn sie mit Männern zusammen sind, nicht ihr Recht zu sprechen, und es gibt auch keinen Raum und keine Zeit für sie, zu sprechen. Meiner Erfahrung nach, und hier möchte ich nicht verallgemeinern, schweigen sie in der Regel, als sei ihre Stimme nicht wichtig und ihr Ton nicht „patriotisch“ und „militant“ genug. In der Regel entscheiden die Männer, welcher Tonfall und welcher Ansatz bei diesen Seminaren „angemessen“ ist. (…) Viele der Frauen in geschlechtergemischten Seminaren kamen mit ihrem Bruder, Ehemann, Neffen, wegen familiärer Einschränkungen. Oft war diese Begleitung wie eine „Erlaubnis“ der Familie, die es ihnen überhaupt erst ermöglicht, teilzunehmen und weit weg von zu Hause zu sein und sicherzustellen, dass niemand ihrem Ruf schaden kann. Die Tatsache, dass sich Familienmitglieder im Seminarraum aufhalten, erschwert es den Frauen*, voll präsent zu sein. Aufgrund dieser Erfahrungen kam ich mit niedrigen Erwartungen zum ersten Seminar, und ich war wirklich froh zu sehen, dass es in diesem Seminar anders war. (…)
Ich glaube, dass Frauen* sehr konfliktträchtige Themen aufrichtig ansprechen und ausdrücken können. Gemeinsam versuchen sie jeweils, die andere Seite einzubinden. Wenn Frauen* die Chance hätten, sich an der Suche nach Lösungen für den Konflikt zu beteiligen, gäbe es gerechte und nachhaltige Lösungen. Das habe ich im Seminar vor allem bei der Diskussion über das Thema Übergangsjustiz (Transitional Justice) erlebt. Das Feedback, das ich nach dem Seminar von den Teilnehmerinnen bekomme, ist überwältigend. Ich sehe ganz andere Frauen: Frauen, die sich nicht scheuen, zu sprechen, die ihren Raum und ihre Rechte einfordern. Einige entscheiden sich als Aktivistinnen gegen die Besatzung oder für Frauenrechte zu kämpfen“. (…) Rana*(Name geändert, palästinensische Koordinatorin)